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"So hipp war die DDR". Frankenpost Bericht zu den 30. Grenzlandfilmtagen
"So hipp war die DDR". Frankenpost Bericht zu den 30. Grenzlandfilmtagen |
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Frankenpost Bericht vom 14.04.2007
VON MICHAEL THUMSER
SELB – Das soll’s wirklich gegeben haben? Kaum traut man seinen Augen: Junge Leute in voll krassen Klamotten, Mega–Sonnenbrillen vor den Augen, lassen Wellen durch ihre unwirklich gummiweichen Körper schwappen, zucken unmenschlich eckig in ihren Gelenken und staksen wie Roboterwesen aus einem alten Science-Fiction-Film einher, oder wirbeln in Hochgeschwindigkeit über Bauch, Schultern, Rücken am Boden, oder drehen kopfüber auf ihren Scheiteln rasende Pirouetten. Dazu dröhnt, fiebrig „gescratcht“, Hip-Hop aus Ghettoblastern, groß wie Schränke.
Aber nicht in einer Breakdance-Metropole der USA, noch nicht einmal im nachahmungswütigen Westen Deutschlands entstanden die Aufnahmen; sondern, kaum glaublich, während der Vorwende-Achtziger in Dessau, wo Nico Raschik zur Welt kam: Bei den Selber Grenzland-Filmtagen erzählt sein Dokumentarfilm „Here we come“, wie als Jugend-Subkultur so etwas wie eine „andere“ DDR im Kleinen blühte, vom Westen kaum bemerkt, zu einer Zeit, da im Osten Musik, Slang, Cola aus Nordamerika behördlicherseits eisern als Unterwanderungsmittel des feindlich-kapitalistischen Auslands galten.
„Stretch Breakers“ oder „Dynamics“ nannten sich einst die Jungs und (wenigen) Mädels. Inzwischen vergleichsweise in die Jahre gekommen, geben sie Auskunft mit einer Mischung aus selbstironischem Humor, Nostalgie und unverhohlenem Staunen vor der eigenen Vergangenheit, ihrem Freiheitsdrang und rebellischem Mut. Den verwaschenen Fotos und Amateurfilmen von vor gut zwanzig Jahren glich Raschick die beinah grauen Bleichfarben seiner Interviewsequenzen an. So stellt sich, über den Wechsel der „Systeme“ hinweg, Kontakt her zu einem ungekannten Damals.
„Here we come“: Hoppla, jetzt kommen wir. Die Underground-Ungebärdigkeit lässt sich noch spüren. Aus Kassettenrekordern basteln Idealisten Riesenradios und aus Plattenspielern Scratchmaschinen, bepinseln ihre T-Shirts und Trainingsjacken akribisch mit Graffiti-Motiven und zerschleißen Vatis blaues Unterhemd, um angemessen fette Schnürsenkel für die Schuhe zu knüpfen. Diese Kids „sehen anders aus“ und „reden anders“: Das macht sie verdächtig. Erfahrungen mit Polizeiverhören und Stasispitzeleien müssen die Dancer, Hiphopper, Rapper durchstehen. Aber sie dürfen auch erleben, wie wachsende Massen ihnen zujubeln: Sie sind die Größten, „Stars“. Dann, als austrainierte Artisten von bewundernswerter Körperbeherrschung, „umarmt“ sie das Regime. Das gab’s wirklich: Die SED-„Kulturheinis“ saugen die freien Straßenaktionen offiziell als „akrobatischen Showtanz“ in „Volkskunstkollektive“ auf, organisieren von oben Workshops, Wettbewerbe, Fernsehauftritte. Ganz plötzlich dann, mit der Wende, bricht alles ab und auseinander.
„Politisch“, sagt einer, habe man den Breakdance „eher nicht“ gemeint. Auch Regisseur Raschick – der den Film jetzt ins Kino bringen, bald mit reichlich Zusatzmaterial auf DVD veröffentlichen und überdies ein Buch zum Thema publizieren wird – versichert in Selb dem Publikum, er wolle vordringlich zeigen, „wie eine Leidenschaft ein Leben ganz beherrscht“. Welches System gerade herrscht, ist da im Grunde egal.
Alles nach Plan? Besucher der 30. Grenzlandfilmtage informieren sich über das Angebot.
FOTO: HERMANN KAUPER |
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14.04.2007 12:33 |
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